Garantiert ohne Bezug zu dem zeitgleich in Deutschland stattfindenden internationalen Gekicke – den Kennern der Szene auch unter der offiziellen Bezeichnung "FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Deutschland 2011" oder "FIFA Women’s World Cup Germany 2011" ein Begriff – trafen sich sechs aus jungen, alten, aktiven und ehemaligen Schwimmern bestehende Mannschaften in Wedel zu einer kleinen Fußballfreizeit, um sich einmal abseits von gechlortem Wasser und gekacheltem Becken sportlich zu betätigen. Die Begeisterung unter den Wikingern, die als inzwischen langjährige Teilnehmer, Stimmungskanonen und gelegentlich auch Punktelieferanten stets gern in der kleinen Stadt an der Elbe willkommen geheißen werden, war wie immer grenzenlos. Was dann ebenso wenig einen Bezug hatte zu der zuvor erwähnten sportlichen Großveranstaltung, zu deren Lobpreisung man sich durch die Medien in den letzten Wochen schon fast genötigt fühlen konnte. Am Abend nahm die Euphorie mit dem Viertelfinalaus dann ja aber ein abruptes Ende.
Die Sommerausgabe des schon seit vielen Jahren von Schwimmern für Schwimmer ausgerichteten Fußballturniers – weit über die Grenzen des Kreises Pinneberg bekannt unter „Wedeler Hallen Soccer“ – fand dieses Mal einmal nicht unter dem Dach der Halle in der Rudolf-Breitscheid-Straße statt (nicht wenige Turnierteilnehmer absolvierten an diesem legendären Ort großer Fußballmomente in dem vor seinem Abriss neben der Sporthalle befindlichen Hallenbad noch Schwimmwettkämpfe), sondern in einer anderen Wettkampfstätte ein paar Straßen weiter. Funktionalität und Modernität statt Flair und Tradition sozusagen. Da die nunmehr zu bespielende Fläche größere Ausmaße hatte, nicht jedoch auch mit einer Steigerung von Ausdauervermögen und Laufbereitschaft gerechnet werden konnte, wurden als kleine Regelneuerung Tor- und Seitenaus eingeführt. Der aufmerksame Zuschauer registrierte als Folge dieser Maßnahmen mehr Unterbrechungen durch Einwürfe, Ecken oder Abstöße sowie insgesamt weniger Tore. Attraktiver Kombinationsfußball ließ sich damit am Ende leider nicht herbeizaubern. Den Standfußballern verschafften diese Verzögerungen immerhin kleine Verschnaufpausen.
Für die drei Teams des SV Wiking Kiel – man stellte damit die Hälfte der teilnehmenden Mannschaften – verlief das Turnier sehr unterschiedlich. Die vermeintlich beste, weil an Spielen erfahrenste Truppe erfüllte die in sie gesteckten Erwartungen zunächst vollends und überstand tatsächlich ohne eine einzige Niederlage und ohne Gegentor die Hinrunde. Über den Turniersieg wurde deswegen auch nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand sinniert. Die zweite Männermannschaft – wegen des Ausfalls zweier Kräfte stets auf der Torwartposition fremdverstärkt – schlug sich in den ersten Spielen beachtlich und steigerte sich zunehmend. Da die Frauenmannschaften zusammen mit den jüngeren Jahrgängen bei den Männern in diesem Jahr mangels ausreichender Meldezahlen keine separate Vorrunde spielen konnten, galt es vor allem, sich in den Spielen gegen die anderen Teams nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen und unbeschwert aufzuspielen. Trotz der im Turnierregelwerk verankerten Erleichterungen füllte sich das Punktekonto nur langsam. Der am stärksten bejubelte Punktgewinn in der ersten Hälfte der Vorrunde dürfte das Remis gegen die erste Garde der Wiking-Jungs gewesen sein. Schon weil man zuvor von der zweiten Garnitur noch geschlagen werden konnte.
Anders als erwartet verlief die zweite Hälfte der Vorrunde. Statt auf der Siegerstraße zu bleiben und damit Kurs auf das Finale zu nehmen, kam das selbst ernannte Aushängeschild des Herrenfußballs mit zahlreichen Niederlagen beträchtlich vom Weg ab und fand sich am Ende nur noch in dem Spiel um den dritten Platz wieder. Dass eine falsch gewertete Partie noch rechtzeitig bemerkt wurde, führte immerhin dazu, dass sich der zuvor noch gefühlte Turniersieger nicht im Spiel um den vorletzten Platz wiederfand. Hochmut kommt wohl tatsächlich vor dem Fall. Tiefpunkte waren zweifellos die Niederlagen gegen die Gegner aus dem eigenen Verein. Wedel hätte so eigentlich gleich in Córdoba umbenannt werden können. Durch den Sieg über den taumelnden großen Bruder zog die zweite Mannschaft – als nach der Vorrunde besser platziertes Team – ebenfalls in das Spiel um den dritten Platz ein. Für die Mädels änderte sich die Vorrundenplatzierung trotz des historischen Sieges gegen die Jungs leider nicht. Gegen die zweite Frauenmannschaft des Turniers spielte man um den fünften Platz. Oder eben – für die Optimisten – um den Titel bei den Frauen.
Der sportliche Bruderkrieg im Spiel um den Bronzerang kann ohne Übertreibung als die abwechslungsreichste und spannendste Partie des gesamten Turniers bezeichnet werden. Dem Geldbeutel manchen Zuschauers hätte man nach Spielende sicherlich ohne Probleme einen Spitzenspielzuschlag entlocken können. Zum Ende der regulären Spielzeit waren auf beiden Seiten drei Tore gefallen. Das anschließende Siebenmeterschießen gewannen dann die als zweite Mannschaft angetretenen Wikinger. Die Mädels gaben sich im Finale äußerst britisch. Englisch, um genau zu sein. Nicht nur, weil sie mit Herzblut kämpften und großen Sportsgeist bewiesen, indem sie sich nach knapper Niederlage als faire Verlierer zeigten, sondern vor allem, weil sie im Siebenmeterschießen scheiterten. Wie es eben – aus einer um vier Meter größeren Entfernung zur Torlinie – gute englische Tradition ist. Siegerin der Herzen war die Mannschaft der Mädels für die nach ihrem Finalspiel gegeneinander zu lautstarken Schlachtenbummlern umfunktionierten Wikinger am Ende natürlich trotzdem.
Sven Teegen